Weswegen das Geburtsgewicht mit dem späteren Einkommen, der Gesundheit und der Intelligenz zusammenhängt, darüber können die Forscher bisher nur spekulieren. Medizinische Studien belegen, dass sich die Nährstoffversorgung des Fötus entscheidend auf dessen Hirnentwicklung auswirkt.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Eltern sich um das schwerere Kind intensiver kümmern, weil sie ihm unterbewusst größere Zukunftschancen vorhersagen. Die Effekte verstärken sich außerdem selbst: Wer gesund ist, kann sich besser entfalten und erzielt deswegen auch ein höheres Einkommen.
Salvanes zieht aus seinen Ergebnissen den Schluss, dass Familienpolitik schon während der Schwangerschaft beginnen sollte, beispielsweise durch Ernährungsberatung für Mütter. Dadurch könnte man das Geburtsgewicht positiv beeinflussen.

Generell gelte: "Je früher die Förderung desto besser", sagt Salvanes, "denn wenn ich ein Kind bereits früh gefördert habe, ist die spätere Förderung noch effektiver. Sie bauen praktisch aufeinander auf."
Studien haben gezeigt, dass eine frühe Förderung sozial schwacher Kinder deutlich günstiger und wirksamer ist, als sie erst später beispielsweise durch Bildungsprogramme zu unterstützen.
Allerdings sind der Politik Grenzen gesetzt. Nicht jeder Faktor lässt sich beeinflussen, stellten Wissenschaftler der Universität Stockholm fest. Sie untersuchten, welche Rolle die Erziehung und die Familienstruktur unabhängig vom Einkommen des Haushaltes für die Entwicklung der Kinder spielt. Gewisse Charaktereigenschaften der Eltern, so stellten sie fest, haben entscheidenden Einfluss.
Für ihre Studie untersuchten die Forscher die Gehälter von Geschwistern. Ihre Prämisse: Je ähnlicher die späteren Einkommen eines Geschwisterpaares im Vergleich zu anderen Geschwisterpaaren sind, desto stärker müssen die Einflüsse von Eltern und Umwelt auf dieses Paar gewesen sein.

Bei Eltern, die viel Geduld für ihre Kinder aufbringen, zeigte sich, dass die Einkommen dieser Kinder deutlich näher zusammenliegen. Unter Geduld verstehen die Forscher, die Bereitschaft der Eltern auf aktuelle Gewinne zu verzichten, um später davon profitieren zu können. Geduld zahlt sich in unserer Gesellschaft aus: Wer studiert, verzichtet zunächst auf ein Einkommen, bekommt dafür aber später ein höheres Gehalt.
"Die Kinder scheinen die Geduld der Eltern zu erlernen. Das könnte mit erklären, warum erfolgreiche Eltern auch erfolgreiche Kinder haben", erläutert Matthew Lindquist , der an dieser Studie mitgearbeitet hat. Allerdings sind sich die Wissenschaftler bewußt, dass es schwierig ist, ausgehend von diesem Ergebnis eine umfassende Empfehlung an zuständige Politiker abzuleiten. Ungeduldigere Menschen müssten höhere Anreize dafür bekommen, mehr in ihre Zukunft zu investieren, sagt Lindquist. "Dann können wir nur darauf hoffen, dass sie lernen, dass sich Geduld irgendwann auszahlen kann."

Kritische Phasen
Entscheidende Jahre: Nicht nur die Zeit kurz nach der Geburt erweist sich als relevant für die spätere Gesundheit von Kindern. Auch mit fünf und sechs Jahren sowie mit etwa neun Jahren gibt es sogenannte "kritische Phasen", zeigen ökonomische Studien.
Körpergröße: Die Körpergröße gilt unter Ökonomen als ein Indikator für den Wohlstand und Lebensstandard von Menschen. Belege dafür liefert eine Studie des Mannheimer Ökonomen Gerard van den Berg. Er hat die spätere Körpergröße von Brüdern untersucht, die in ihrer Kindheit aus einem ärmeren Land ins reichere Schweden eingewandert sind. Die Migration findet für Brüder normalerweise zum gleichen Zeitpunkt statt, beide sind dabei aber unterschiedlich entwickelt. Ein Bruder bleibt später durchschnittlich deutlich kleiner, wenn er erst später als im Alter von fünf oder sechs Jahren nach Schweden eingewandert ist. Der Effekt verstärkt sich, wenn er bereits älter als neun ist.

Intelligenz: Der Intelligenzquotient bleibt ab einem Alter von zehn Jahren etwa konstant. Wer zum Beispiel eine Fremdsprache später ohne Dialekt sprechen will, sollte sie vor dem 13. Lebensjahr erlernt haben. Die Hirnregion, in der mentale Eigenschaften wie Selbstvertrauen oder Motivationsfähigkeit verortet sind, entwickelt sich nur bis zu einem Alter von Anfang 20.



Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/kindes-entwicklung-die-ersten-jahre-zaehlen-auch-im-alter-seite-3/3348848-3.html

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