Ein Baby kaut und nuckelt an allem, was es in die Finger und dann in den Mund bekommt - denn Zunge und Lippen sind zunächst die wichtigsten Sinnesorgane

Orale Phase: Warum das Baby alles in den Mund nimmt
Ein Baby mit ungefähr 5 Monaten lernt die Dinge am besten kennen, indem es sie in den Mund steckt, denn sein Tastsinn ist besser entwickelt als sein Vermögen zu sehen, zu hören oder zu schmecken. Und Wissenschaftler der Uni Heidelberg haben in einer Versuchsreihe herausgefunden, dass schon die Allerkleinsten sehr wohl in der Lage sind, sich ein Bild von dem zu machen, was sie mit Lippen, Zunge und Gaumen ertasten: Man zeigte ihnen Dias von verschieden geformten Schnullern - einige genoppt, andere glatt -, und sie bevorzugten den, an dem sie zuletzt genuckelt hatten.
Was lernen Babys und Kleinkinder beim Lutschen und Kauen? Indem sie möglichst alles, was sie in die Finger bekommen, in den Mund stecken, sammeln sie Informationen - fühlt es sich hart oder weich an, kühl oder angenehm warm. Anfangs klemmen sie die Dinge zwischen Daumen und Handfläche, doch etwa ab dem 9. Monat können Babys die Bewegungen ihrer Fingerchen so gut koordinieren, dass sie die Untersuchungsgegenstände mit Daumen und Zeigefinger - dem so genannten Pinzettengriff - zielsicher zum Mund führen können:
·         den Grashalm auf der Wiese,
·         den Fitzel Papier oder
·         den kaum sichtbaren Krümel auf dem Küchenboden.
„Vorsicht, heiß!“, ruft Jonas' Mutter am Mittagstisch, doch der Junge kaut zunächst unbeirrt weiter auf einem Stück Kartoffel herum. Es dauert eine Weile, bis er den Bissen ausspuckt und zu schreien beginnt. Das Wärme- und Kälteempfinden ist verzögert, weil sich die Promptheit, mit der Tasterfahrungen vom Hirn in Sinnesempfindungen umgesetzt werden, erst nach und nach entwickelt. Das liegt daran, dass die Nervenenden noch nicht voll entwickelt und mit der sie abschirmenden Substanz Myelin ummantelt sind. Ein vierjähriges Kind zieht bei der Empfindung „heiß“ seine Finger viermal schneller weg als ein Einjähriges. Im Alter von 6 Jahren wird Jonas dann ebenso schnell auf die Kartoffel reagieren wie seine Mutter.
Keine leichte Aufgabe für Eltern, alle spitzen, scharfen oder gar giftigen Dinge außer Reichweite des Kindes zu schaffen. Und zugleich immer darauf zu achten, den Entdeckungseifer ihres Lieblings nicht zu sehr zu beschränken. Wir geben Tipps, wie Sie die Neugier Ihres Sprösslings während der oralen Phase effektiv und sicher in die richtigen Bahnen lenken können.

Wie Sie die orale Phase beim Baby unterstützen
·         Babys Umgebung muss sauber und hygienisch sein - aber nicht steril
Die meisten Keime, mit denen Ihr Kind in Berührung kommt, stärken seine Abwehrkräfte. Deshalb ist sterile Sauberkeit nicht notwendig, Hygiene für eine gesunde Kindesentwicklung jedoch unerlässlich. Viel beknabberte Kuscheltiere sollten jeden Monat ein Vollbad in der Waschmaschine nehmen. Auch Kinderspielzeug aus Kunststoff verträgt von Zeit zu Zeit eine Wäsche. Und Schnuller bzw. Beruhigungssauger sollten regelmäßig im Wasserbad ausgekocht werden. Lutschen Sie die Sauger nicht selbst sauber, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich Karies-Bakterien auf Ihren Nachwuchs übertragen.
·         Achtung, wenn das Kind mobil ist: Jede Kleinigkeit wird probiert
1. Regel in einem Haushalt mit Kind, sobald es krabbelt: Kleinteile jeder Art - Münzen, Filzstiftkappen, Büroklammern etc. - müssen außerhalb seiner Reichweite sein. Das gilt auch für Essbares, vor allem für Süßigkeiten wie Weingummi und Bonbons, aber auch für Nüsse und Weintrauben. Denn selbst Letztere sind noch zu hart, als dass ein Baby ohne Zähne sie zerkleinern könnte, und zu groß, um in Gänze gefahrlos heruntergeschluckt werden zu können.
·         Babysicherer Haushalt: Was könnte für mein Baby gefährlich sein?
Auch wenn die folgenden Hinweise vielleicht etwas dramatisch klingen, sind sie im Sinne der Sicherheit notwendig: Lassen Sie nie Arzneimittel herumliegen, denn unachtsam aufbewahrte Medikamente sind die Ursache für etwa 40 % aller Vergiftungen bei Kindern. Vor allem bunte Pillen haben verlockende Ähnlichkeit mit Bonbons. Der Verzehr von Putz- und Reinigungsmitteln, Zigaretten, Alkohol, giftigen Pflanzen und Pilzen kann ebenfalls schwere Folgen haben. Auch ein Schluck Lampen- oder Aromaöl ist lebensbedrohlich: Wenn Kinder am Docht saugen oder direkt aus der Flasche trinken, kann das Öl in die Lunge geraten und dort schwere Schäden anrichten.

Selbst scheinbar Harmloses wie das frisch aus der Reinigung geholte Kleid, das noch in Folie verpackt am Kleiderschrank hängt, ist eine Gefahr fürs Baby. Zieht es daran, kann die Folie reißen - hier besteht für das Baby, wenn es mit dem Kopf darunter gerät, Erstickungsgefahr.

Gehören Tiere zur Familie, gelten besondere Hygieneregeln im Haushalt. Eine Katzentoilette muss fürs Baby unerreichbar sein, denn bei Kontakt mit Katzenkot könnte sich das Baby mit Wurmkrankheiten infizieren. Außerdem sollten Hunde und Katzen regelmäßig geimpft, entwurmt und mit einem Flohhalsband ausgestattet werden. Damit wären nicht nur die Vierbeiner, sondern auch Krabbelkinder vor Parasiten geschützt.
·         Beim Essen fürs Leben lernen: Jetzt macht das Knabbern doppelt Spaß
Die Lust, erst einmal in jedes neu entdeckte Objekt hineinzubeißen, lässt noch lange nicht nach, wenn Ihr Kind durch die Wohnung krabbelt - und natürlich erst recht nicht, wenn es mit am Esstisch sitzt. Dazu gehört, dass Brei, Brot oder Blaubeeren nicht ohne Kleckern ins Mündchen wandern - mit der Hand-Mund-Kombination sind die Dinge eben viel besser zu untersuchen. Lassen Sie Ihrem Kind diesen Drang! Reiskörner, Nudeln und Krümel vom Tisch aufzupicken trainiert zudem den Pinzettengriff. Gurken- und weichere Kohlrabischeiben beispielsweise fördern den Kau- und Knabberdrang - was den Durchbruch der Zähne unterstützt - und trainieren zusätzlich die Muskulatur der Zunge. Besonders wichtig, wenn's dann bald ans Sprechen geht.

Ein wenig Schmutz schadet dem Baby nicht
·         Mund und Hände sind ein Team: Sorgen Sie für griffiges Spielzeug
Damit Ihr Baby aber auch seine haptischen Fähigkeiten weiter schult, sollten Sie ihm möglichst abwechslungsreiches Greifspielzeug an die Hand geben – bevorzugt solches mit lebhaften Oberflächen wie Rillen oder Löchern. Hauptsache ist, man kann es mit kleinen Fingerchen gut greifen. Farben spielen in dieser Phase übrigens noch eine untergeordnete Rolle. Etwa ab dem 4. Monat nimmt Ihr Kind Rot, Rot-Gelb, Rot-Weiß und Orange am besten wahr, ab dem 6. Monat auch Blau und Grün, jeweils mit Weiß kombiniert.

·         Wenn’s nach draußen geht: Ein bisschen Schmutz darf sein
Dreck reinigt den Magen, behaupteten schon unsere Großeltern und lagen damit nicht so falsch. Die vielen Mikroben und Keime, die sich in der Erde tummeln, trainieren nämlich unser Immunsystem. Inzwischen führen Wissenschaftler die hierzulande deutliche Zunahme an allergischen Erkrankungen unter anderem auf übertriebene Hygiene zurück. In Maßen aufgenommen, hat harmloser Schmutz auch insofern eine heilsame Wirkung, als dass auch den Neugierigsten wenige Kostproben genügen. Ob Mamas Stöckelschuhe oder das Spielzeug im Sandkasten allerdings zum Ablecken herhalten sollte, bleibt Ansichtssache. Nur so viel: Es kommt nach solchen Kontakten nur sehr selten zu einer ernsthaften Erkrankung.
·         Wie schmeckt ein Pfahl? Manche Entdecker müssen es ausprobieren
Selbst Mütter von Vierjährigen verstehen manchmal die Welt nicht mehr, wenn ihre Sprösslinge an der Bushaltestelle gedankenverloren am Laternenpfahl lecken, obwohl man ihnen schon hundertmal gesagt hat, dass das alles andere als gesund sei. Doch die Kleinen tun das ja nicht, um ihre Eltern zu ärgern, sondern um ihrem Entdeckertrieb nachzugehen. Noch etwa bis zum 5 Lebensjahr können Kinder mit Mund und Zunge die Beschaffenheit eines Materials besser erforschen als mit ihren Händen. Drücken Sie einfach öfter mal beide Augen zu. Denn mit diesen Erfahrungen schafft Ihr Baby die Grundlagen für die Entwicklung seiner geistigen Fähigkeiten – und wird umso eher mit wachem Geist durchs Leben gehen.


                 Quelle: http://www.familie.de/baby/entwicklung/artikel/die-orale-phase/ein-wenig-schmutz-schadet-dem-baby-nicht/?print=1

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